Abendkirche

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Der Gott, der mich sieht

Einsamkeit - so beschreibt sie der US-amerikanische  Arzt und oberste Gesundheitsverantwortliche unter Präsident Obama, Vivek Murthy - ist eine Epidemie mit ähnlichen Folgen wie Übergewicht oder das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag.
Mit dieser Schreckensmeldung rückte er das Thema vor gut zwei Jahren ins öffentliche Bewusstsein. Die Welt horchte auf und reagierte: Großbritannien ernannte eine Einsamkeitsministerin, Länder wie Dänemark oder Australien starteten öffentliche Kampagnen, um Menschen zusammenzubringen, und die Bundesregierung beschloss im Koalitionsvertrag, „die Vereinsamung zu bekämpfen“. Wie soziologische Daten zeigen, hat sich die Zahl der Single-Haushalte in Deutschland seit 1991 fast verdoppelt und liegt inzwischen bei 42 Prozent.
Nun müssen Menschen, die allein leben, nicht zwangsläufig einsam sein, genauso wenig wie diejenigen, die sich einsam fühlen, allein sein müssen. „Alone in the crowd“ (allein in der Menge) nennen Psychologen das Phänomen, unter Menschen zu sein und sich trotzdem verlassen und nicht zugehörig zu fühlen. Der verstorbene Schauspieler Robin Williams hat das so ausgedrückt: „Früher dachte ich, das Schlimmste, was im Leben passieren könnte, sei, am Ende ganz allein zu sein. Ist es nicht. Das Schlimmste im Leben ist, am Ende mit Menschen zu sein, die dir das Gefühl von Alleinsein geben.“ So erging es wohl auch der biblischen Frauengestalt Hagar, die als ausländische Sklavin im Hause von Abraham und Sara lebte, dort als Leihmutter fungieren musste und dann als Schwangere schikaniert und schließlich wortwörtlich in die Wüste gejagt wurde.
„Sehen und gesehen werden“ ist ein abschätziger Ausdruck für Menschen, deren Selbstwertgefühl steigt, wenn sie im Rampenlicht stehen und sich in einem Umfeld bewegen, das einer gehobenen Klasse vorbehalten bleibt. Gesehen zu werden, nicht in seiner äußeren Erscheinung, sondern in seiner inneren Verfassung, ist dagegen ein menschliches Grundbedürfnis. Fühlt der betreffende Mensch sich wahrgenommen und verstanden, dann gewinnt er neuen Mut und Zuversicht, auch wenn seine Umstände zu wünschen übrig lassen.
Hagar, die ägyptische Magd, von der 1. Mose 16 erzählt, wird in ihrer Not an einer Wasserquelle von einem Engel Gottes angesprochen. Er fragt sie, woher sie kommt und wohin sie will, verheißt der Schwangeren eine große Nachkommenschaft und ermutigt sie, an den Ort ihrer Vertreibung zurück zu kehren. Da fasst sie Vertrauen in ihr Schicksal und den Gott, der ihr begegnet ist und nennt ihn „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ (V.13) - der Satz, der zur Jahreslosung 2023 gewählt wurde.

Psychologen sagen, das Gefühl der Einsamkeit sei bestimmt durch die fehlende Beachtung und Wertschätzung durch andere Menschen. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass der, der sie nicht erfährt, zur Einsamkeit verurteilt ist? Die biblische Hagar fand keine neue Lebensperspektive durch Menschen, die sich mit ihr solidarisch zeigten. Es war die Begegnung mit dem lebendigen Gott, die ihr widerfuhr, die sie ermutigt und ihr in ihrer desolaten Situation neue Kraft gegeben hat, Kraft sogar, sich erneut in das feindliche Klima zu begeben, dem sie entronnen war.
Dem entspricht auch, was in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung der Psychologieprofessor Eckart Straube erklärt: Zahlreiche Untersuchungen hätten gezeigt, dass glaubende Menschen nicht nur eine höhere Lebenserwartung haben; sie kommen auch besser mit Schicksalsschlägen zurecht als Nichtglaubende.
Mut zu machen zum Glauben und Vertrauen, wodurch unsere Lebensumstände einerseits relativiert werden, andererseits aber auch neue Impulse bekommen, darum geht es in der ersten Abendkirche im Neuen Jahr mit Sigrid Hinkelmann.
Musikalisch erfreuen uns an diesem Abend Nadia & Annika Schüler, begleitet von der Abendkirche-Band. Eine ansprechende Liedauswahl mit bekannten Worshiptiteln, wie auch dem Bonhoeffer-Lied „Von guten Mächten“, lädt zum Mitsingen ein.
Etwas dickere Kleidung ist in der Kirche ratsam. Anschließend verwöhnt uns unser Bistro-Team mit einem warmen Essen. Das bringt uns in vertrauter Gesprächsrunde körperlich und mental wieder auf die richtige Temperatur! Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

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