So lautete die Parole der asketischen Bewegungen im Christentum des ausgehenden dritten und vierten Jahrhunderts. Vorher verließ man die ‚Welt‘, indem man Christ wurde und in die Kirche eintrat. Jetzt, nach der konstantinischen Wende, schreibt der Kirchenhistoriker Kurt Dietrich Schmidt, „drang die Welt in immer steigendem Maße in die Kirche ein. So zog sich jetzt aus der Kirche zurück, wer Christus im Vollsinn dienen wollte.“ Wohin? In die Einsamkeit der Wüste! Für viele Bibelausleger ein Ort der Trostlosigkeit, der Verlassenheit. Mit Hunger und Durst verbunden. Und mit Todesangst. Aber zugleich auch der Ort einer ganz neuen Begegnung mit Gott. Die biblische Prophetie nimmt die Botschaft der fünf Bücher Mose auf und macht deutlich: Der Weg ins Land der Verheißung führt durch die Wüste. Sie ist ein Ort der Läuterung und der erneuten Hinwendung zu Gott.
In den ersten Kapiteln bei Matthäus, Markus und Lukas wird sie zum Ort neuer geistlicher Aufbrüche durch Johannes den Täufer. Auch Jesus Christus wird durch den Heiligen Geist in die Wüste geführt. Er erlebt dort die Anfechtung durch den Versucher, der allen solchen Aufbrüchen feindlich gegenüber steht. Danach wird Ihm die Wüste zum Rückzugsort. Am frühen Morgen findet er dort in der intensiven Begegnung mit Gott Ruhe und Kraft für Seinen Predigt- und Heilungsdienst unter den Menschenmengen, die Ihn tagsüber begleiten.
Arno Wittekind ist unser Gast in der Abendkirche am kommenden Sonntag. Er ist Gemeindepfarrer und Synodalbeauftragter für missionarische Dienste im Kirchenkreis Herne. Schon seit vielen Jahren misst er mit Herz und Hand den Pulsschlag der Kirche. In seinem 2019 erschienenen Buch „Entfesselte Gemeinschaft" geht er der Frage nach, wie es trotz äußeren Rückbaus wieder zu inneren Aufbrüchen in der Kirche kommen kann. Zu seinem Thema ‚Ab in die Wüste!‘ schreibt er uns: „Fast 20 Monate schon wird das persönliche und gemeindliche Leben durch Verzicht geprägt. Regelungen und Verbote treffen die Menschen unterschiedlich hart. Die einen erfahren Homeoffice als Gewinn. Andere stehen am finanziellen Abgrund ihrer Existenz. Wir leben mitten in einer gesellschaftlichen Zerreißprobe. Auch unser Glaubensleben in der Gemeinde ist betroffen: Gerade die Dinge, die wir besonders lieben, sind mit Verboten belegt. Das Singen. Die enge Gemeinschaft. Das Abendmahl. Gibt es einen Sinn, den diese Zeit für uns haben soll? Die Bibel nennt diese Zeiten Wüstenzeiten. Nach dem Auszug aus Ägypten wird Israel von Gott für 40 Jahre durch eine Landschaft der Entbehrungen geführt, einen Ort ohne Grenzen, Orientierungspunkte und Sicherheiten. Wüstenzeiten stellen unser persönliches und kirchliches Leben auf den Prüfstand. Gott führt auf einen Weg der inneren Veränderung. Kommenden Sonntagabend gehe ich der Frage nach: Welche geistliche Bedeutung können diese und andere Entbehrungszeiten für unseren persönlichen Glauben und für das Leben der Kirche haben? Dabei gehe ich den Erfahrungen Israels in der Wüste nach und lege sie für unsere Gegenwart aus.“ Wir sind gespannt auf ein aktuelles Thema in Zeiten, die spannend bleiben.
Der Politikwissenschaftler und Journalist Andreas Püttmann sieht nach der Wahl bei einer linksliberalen Ampel-Koalition „ungemütlichere Zeiten“ für Christen voraus: „sowohl in Fragen des Lebensschutzes, der Bioethik und Familienformen-Politik als auch hinsichtlich kirchlicher Eigenbelange wie der Staatsleistungen, des kirchlichen Arbeitsrechts oder der Karfreitagsruhe.“ Für eine klare und biblisch fundierte Position der Kirchen in diesen Fragen braucht es sicher auch Wüstenzeiten und geistliche Neuaufbrüche. Arno Wittekind bringt an diesem Abend auch ‚die Musik’ mit. Er kommt zusammen mit Chor und Band: ‚christians at work (caw)‘, zu dessen Gründungsmitgliedern er gehört. Wer sie schon bei uns gehört und erlebt hat, freut sich auf Gospel-Pop mit hohem Niveau.